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 »Das könnte mir genauso passieren!«   »Man wollte das Letzte aus der Firma herausquet-


 Die Suppenküche der Heidberger Stephanusgemeinde sucht Kochbegeisterte.  schen« Der Gießer des Hüttenwerks fand im Oktober eine neue Heimat.

 Sonntags um 12.30 Uhr in der Vorhalle   durch ein Team ehrenamt-
 der Heidberger Stephanus-Gemeinde:   licher Helfer*innen, die sams-
 Die Tische sind gedeckt, Brötchen und   tags und sonntags ein paar
 Gebäck werden sortiert, während der   Stunden ihrer Freizeit opfern.
 herzhafte  Geruch  von  Grünkohl  mit  Bre-  Im Idealfall stehen dann sechs
 genwurst in der Luft liegt. Die ersten Gäste   Leute in der Küche, die ge-
 sitzen bereits plaudernd bei Tisch, als das   meinsam Kartoffeln schälen,
 Team der Suppenküche noch ganz mit den   Zwiebeln schneiden oder
 Vorbereitungen beschäftigt ist. Um 13.00   Gemüse waschen. Zusätzlich
 Uhr wird es losgehen.  müssen sonntags die Tische
 »In der letzten Woche hatten wir hier 31   aufgestellt, das Geschirr aus-
 Gäste«, freut sich Jadwiga Bartkowski. »Es   geteilt und hinterher abgewa-
 geht bei uns gar nicht so sehr ums Essen,   schen werden.  Ein ungewohnter Moment der Ruhe in
 sondern um die Seele.« Viele der Gäste   Seit  1994  gibt  es  die  Sup-  der Suppenküche. Um 13.00 Uhr muss
 haben keine Möglichkeit zu kochen, sind   penküche. Da das Team   das Essen fertig sein.
 mittellos oder möchten einfach nur andere   in die Jahre gekommen ist,   Der »Gießer« hat einen neuen Standort bekommen: an der
 Menschen treffen, um zu reden.  sucht man derzeit neue Leute, die Spaß   und suchen momentan dringend Leute,   Leipziger Straße, gegenüber dem Abenteuerspielplatz Melverode.
 Möglich gemacht wird das wöchentliche   daran haben, gemeinsam eine gute Sache   die Spaß am Kochen haben«, so Jadwi-
 Menü von der Braunschweiger Tafel, die   zu unterstützen. Zurzeit packen rund 30   ga Bartkowski. »Wichtig ist die Fähigkeit   Es war ein bitteres Ende: Nach fast 104   Am 21. Oktober war es schließlich so weit.   Etwas kämpferischer waren die Worte von
 Gemüse, Obst, Quark, Brot oder Würst-  Ehrenamtliche mit an. »Wir möchten die   improvisieren zu können, denn man ist auf   Jahren wurde das Braunschweiger Hüt-  Der strömende Regen passte zur emotional   Martin Grun. »Während sich die MIBA
 chen liefert, durch Spenden und natürlich   Last auf möglichst viele Schultern verteilen   den Bestand der Tafel und auf Lebensmit-  tenwerk in Melverode, in dem etwa 300   aufgeladenen Stimmung. Viele rote Regen-  in  Österreich  einen humanitären  Anstrich
 telspenden angewiesen, was es schwer   Mitarbeiter*innen tätig waren, vom Eigen-  schirme  mit  dem IG-Metall-Logo  säumten   gibt, hat sie hier die hässliche Fratze des
 macht, im Voraus zu planen.«  tümer MIBA endgültig geschlossen. Durch   den Weg, als Bezirksbürgermeister Matthi-  Kapitalismus gezeigt«, resümierte er bitter.
 Auch Hatto und Ursula Hoffmann sind   den öffentlichen Druck konnte wenigstens   as Disterheft, Garnet Alps und Martin   »Selbst um den Gießer mussten wir kämp-
 mit vollem Einsatz dabei. »Wer mit den   ein Sozialplan abgeschlossen werden.   Grun von der IG Metall Braunschweig die   fen. Die MIBA wollte ihn einschmelzen las-
 Gästen ins Gespräch kommt und ihre Ge-  Dazu Martin Grun, der ehemalige Betriebs-  Skulptur enthüllten. Auch die stellvertretende   sen. Man wollte das Letzte aus der Firma
 schichte erfährt, merkt dabei ganz schnell,   ratsvorsitzende des Werkes: »Wir hatten   Bürgermeisterin der Stadt, Cristina Anto-  herausquetschen. Auch wenn der Kampf
 wie leicht es ist, in die Armut zu geraten«,   Konzepte  zum  Weiterbetrieb, aber  die   nelli-Ngameni, Christiane Jaschinski-Gaus   um den Beschäftigungs- und Standorterhalt
 erzählt er. »Oft denke ich mir dann: Das   Arbeitsplätze wurden vom Eigentümer ver-  (SPD), Thorsten Köster (CDU) und viele Mit-  am Ende nicht gewonnen wurde, so war
 könnte mir genauso passieren!«  nichtet, um die Auslastung eines anderen   glieder des Bezirksrats zeigten Solidarität   es doch wichtig, ihn gemeinsam zu führen.
 Diese Gespräche sind mindestens so   Standortes zu steigern.«  mit den Entlassenen.  Die Belegschaft dankt dem Bezirksrat dafür,
 wichtig wie das gemeinsame Essen. Ob   Um  an  den vergeblichen  Kampf  der  Be-  »Die Schließung des Werkes ist ein Beispiel   dass dieses Symbol nun einen neuen Platz
 es sich um gesundheitliche Probleme han-  schäftigten zu erinnern, wurde die Bronze-  dafür, dass wir dringend mehr Mitbestim-  erhält.«
 delt oder einen fehlenden Elektroherd: Oft   statue des »Gießers«, die zuvor nur wenige   mung in wirtschaftlichen Angelegenheiten   Am Ende wurde die Figur von Disterheft,
 kann schnell geholfen oder zumindest das   Meter entfernt auf dem Werksgelände von   brauchen«, erklärte die Erste Bevollmäch-  Alps und Grun sorgsam ausgewickelt, um
 Gefühl vermittelt werden, mit den Sorgen   BHW Zollern stand, an der Leipziger Stra-  tigte der IG Metall Braunschweig, Garnet   trotz des Regens mit den Anwesenden ein
 nicht ganz allein zu sein.  ße, gegenüber dem Abenteuerspielplatz,   Alps. »Wir haben zwar verloren, aber der   Gruppenbild zu machen. Für die Ehema-
 Wenn alle satt geworden sind, gibt es   aufgestellt. Doch selbst um den Standort   Gießer ist ein Zeichen dafür, dass wir ge-  ligen war es ein würdiger Schlusspunkt
 zum Nachtisch Kaffee und Kuchen, der   des Gießers musste man kämpfen.  kämpft haben.«  nach einer turbulenten Zeit.
 Die meisten Gäste kommen regelmäßig.  seit vielen Jahren von der Bäckerei Ziebart
 gespendet wird. Dann, nach vollbrachter
 Arbeit, sitzt schließlich auch das Team zu-
 WIR  HABEN  Der Stadtkiosk im Heidberg.  sammen, um den Tag Revue passieren zu
 lassen.
 ALLES  Freundlich. Fair. Umfangreich.  Im nächsten Jahr feiert die Suppen-
 Postagentur, Postbank, DHL Service, Toto/Lotto,
 küche ihr 30-jähriges Jubiläum. Für ein
 Zeitungen, Schreibwaren/Schulbedarf,
 Projekt, das von Spenden und ehrenamt-
 Fahrkarten BSVG, Backwaren, Kaffee,
 AUSSER  Zigaretten/Tabakwaren, Eis, Kaltgetränke,   lichen Helfer*innen getragen wird, eine
 Snacks, wechselnde Wochenangebote.
 stolze Zahl.
 H A M S T E R  – HEIDBERG BÜDCHE –  Heidberg  Büdche  Wer Lust hat mitzumachen, kann sich unter   Oststraße 2c · 38122 Braunschweig-Broitzem · Telefon 0531/8667451 · www.fahrrad38.de
 Telefon 0531-69 23 60 oder
 Stettinstr. 3a, 38124 Braunschweig
 pastor@stephanus-online.de melden.
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