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»Unsere Umgebung macht uns krank« »In der Schule habe ich Handarbeit gehasst!«
Zu Besuch im Salz-Vital-Zentrum Müller. Christa Koch, die Puppenmutter vom Heidberg.
Sieben Besucher passen in das Zimmer. Palette unterstützender Produkte an. Ein »Die erste Puppe bastelte ich vor über Dazu ist jedes Stück ein Unikat. Selbst
Vorm Betreten muss man Plastik-Überzie- Besuch schlägt mit 9,50 Euro zu Buche. vierzig Jahren, als mein Sohn noch ganz die kleinen Äffchen, die es bei ihr in
her über die Schuhe streifen, um den Kinder bis 14 Jahren bezahlen 5 Euro. klein war«, erinnert sich Christa Koch. mehrfacher Ausfertigung gibt, sind von
Salzboden rein zu halten. Feiner Salzne- Es gibt allerdings auch preisgünstige »Ich fing mit dem Kopf an und häkelte den Größen und Farben her immer un-
bel liegt in der Luft. Zusammen mit den Mehrfachkarten. Für Kleinkinder bis drei einfach drauflos. Das mache ich auch terschiedlich. Gestrickt wird vorm Fern-
farbigen Salzlampen sorgt dies für eine Jahren ist der Besuch kostenfrei. heute noch so.« seher, wenn gerade nichts Besonderes
unwirkliche Atmosphäre, die zunächst Nikolai Müllers besonderes Engage- Damals wusste sie nicht, dass aus einer läuft. Bei einigen Puppen kann es vor-
gewöhnungsbedürftig ist. 45 Minuten ment gilt jedoch der Bekämpfung von spontanen Idee eine Passion werden kommen, dass Frau Koch mehrere Wo-
dauert so eine Sitzung, in der man ent- Erdstrahlungen und Elektrosmog. Dazu sollte. Mittlerweile stehen unzählige chen Arbeit investieren muss. Allerdings
spannt dasitzen und abschalten kann. bietet er eine Reihe von »Harmonisier- Puppen in den Regalen der ehemaligen nur wenige Stunden pro Tag. Nicht
Danach serviert Gattin Ludmilla den ern« an, die schädliche Strahlung neu- Bäckereifachverkäuferin. Vom kleinen unerheblich sind dabei die Material-
Nikolai und Ludmilla Müller Besuchern Tee. Die trockene Salzinha- tralisieren sollen, wie sie beispielsweise Äffchen oder Weihnachtsmann bis zur kosten. Am teuersten sind die Knöpfe.
vorm Salz-Vital-Zentrum. lation wird besonders bei chronischen von elektromagnetischen Wellen draht- ein Meter hohen Kinderpuppe reicht Reich kann man durch selbstgehäkelte
Infekten der Atemwege, bei Allergien loser Telefone erzeugt werden. Auch die das Sortiment – und es werden täglich Puppen daher nicht werden. Das al-
Der Gedanke, dass Salz Gutes bewir- und zur allgemeinen Entspannung und Räume am Jenastieg seien frei von Elek- mehr. In den letzten zwei Jahren hatte lerdings ist Christa Koch nicht wichtig.
ken kann, kam Nikolai Müller, als er Stärkung des Immunsystems empfohlen. trosmog und Erdstrahlung. »Unsere Um- sie sogar einen eigenen Stand auf dem »Wichtig ist, dass es mir Spaß macht.
nach dem Wehrdienst ein Salzbergwerk Viele Menschen schwören mittlerweile gebung macht uns krank«, betont Müller Weihnachtsmarkt in Melverode, der Und wenn ich anderen damit eine Freu-
in der Ukraine besuchte. Viele Jahre auf die Heilwirkung von Salzen. Trotz- voller Überzeugung. »Die Strahlung, der mit 65 Puppen bestückt war. Die Reak- de machen kann, hat sich die Arbeit
später begleitete er seinen Vater in eine dem sperren sich die Krankenkassen wir tagtäglich ausgesetzt werden, bleibt tionen waren so positiv, dass Frau Koch schon gelohnt«, lächelt sie.
Salzgrotte. So kam ihm die Idee, ein ei- noch immer vor einer Kostenübernahme selbstverständlich nicht ohne Wirkung.« auch in diesem Jahr mit einem Stand Die kleinste Puppe kostet 7 Euro, für die
genes Geschäft zu eröffnen. Seit sieben einer solchen Therapie. Seit zwanzig Jahren lebt er im Heidberg. dabei sein möchte. großen muss man 35 Euro investieren.
Jahren betreibt er mit seiner Frau Ludmilla Sechs Salzzimmer (oder auch Salzgrot- Auch wenn er gern als Mediziner gear- »Die Puppen sind schön weich und »Damit habe ich bestimmt nicht mal die
das Salz-Vital-Zentrum am Jenastieg 10. ten) gibt es im Großraum Braunschweig. beitet hat, sieht er seine jetzige Tätigkeit bestehen ganz aus nichtgiftigen Natur- Materialkosten abgedeckt«, mutmaßt
Mittlerweile hat er seine Stammkunden, Als Konkurrenz betrachtet Müller seine als Lebensaufgabe an. Ehefrau Ludmilla stoffen. Dazu kann man sie leicht mit Frau Koch. »Doch das ist mir egal.«
die regelmäßig im Salzzimmer entspan- Mitbewerber jedoch nicht, denn bei der unterstützt ihn hierbei, während Tochter Nadel und Faden reparieren, falls sie Dass sie so viel Zeit mit Nadel und Puppenmutter Christa Koch inmitten
nen. »Ich hatte Probleme mit den Bron- Größe der Stadt sei dies wenig, meint Julia direkt nebenan ein Kosmetik- und kaputtgehen. Und wenn sie schmutzig Faden verbringt, verblüfft sie selbst am ihrer Kreationen.
chien«, erzählt eine Besucherin, die gut er. Seit zwanzig Jahren wohnt er bereits Nageldesignstudio betreibt. werden, kann man sie einfach in die meisten: »In der Schule habe ich Hand- im Wohnzimmer auch Frau Kochs Ver-
eingepackt auf einer der Liegen ruht. im Heidberg. Der einstige Mediziner Am 29. April kann sich jeder selbst ein Waschmaschine stecken«, zählt sie auf. arbeit gehasst!« Nach der Schule arbei- sion der DDR-Kultfigur »Pittiplatsch« be-
»Schon nach dem ersten Besuch trat betreibt sein Unternehmen aus Leiden- Bild vom Salzzimmer machen, denn tete Frau Koch lange Jahre in der Aus- wundern, daneben zwei bunte M&M-
eine Verbesserung ein.« Ihre Nachbarin, schaft: »Jede Krankheit hat eine Ursache. dann lädt das Ehepaar Müller zum Tag lieferung, bei Warncke Eiskrem. Zuletzt Männchen. Beide geradezu perfekt
ebenfalls eine enthusiastische Dauerkun- Und die sollte man schon im Vorfeld be- der offenen Tür. Einen Gutschein findet stand sie in der Bäckerei Ziebart am umgesetzt. »Ich habe auch schon einen
din, erzählt eine ähnliche Geschichte. seitigen.« Außerdem bietet er eine breite man in diesem Heft. Tresen. Eine Bienen- und Wespenstichal- Garfield, eine Lara Croft und einen E.T.
lergie bereitete dem leider ein Ende. gehäkelt«, verrät sie. Solche Sonderan-
Mittlerweile hat sich ihr Hobby im Heid- fertigungen gibt es jedoch nur für die
Entspannung pur: Im Salzzimmer am Jenastieg. berg herumgesprochen. Ab und zu hä- Enkel.
kelt sie für die Nachbarn Babykleidung Neben ihrer Strick- und Häkeltätigkeit
oder Ofenhandschuhe für die Küche. arbeitet die dynamische Ruheständlerin
Den größten Spaß allerdings hat sie stundenweise bei Kaufland. »Ich bin
mit den Puppen. immer in Bewegung«, scherzt sie. »Sie
Neben den Eigenkreationen kann man wissen doch: Rentner haben nie Zeit!«