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Südlicht
Der Alleskönner
Seit über zwanzig Jahren in Melverode: Raumausstattung Scheer.
Jörg-Harald Scheer ist so etwas wie und lernte dabei sein Handwerk von der doch nachhaltiger ist als Fließbandware
ein Alleskönner: Er polstert Sessel und Pike auf. 1991 folgte die Meisterprü- aus dem Baumarkt. Scheer ist stolz auf
Sofas, bespannt Wände und Decken fung 1991. »Im Grunde sind es mehrere seine Arbeit: »Wir nähen alles selbst.«
mit hochwertigen Stoffen, bringt Vorhän- Berufe, die zusammengefasst wurden. Jeder Quadratmeter seines Ladenge-
ge, Jalousien und Insektenschutz an. Als Es dauerte viele Jahre, bis ich mir alles schäfts ist optimal genutzt. Stoffe und
gelernter Raumausstattermeister gehört angeeignet hatte«, erinnert er sich heute. Musterbücher füllen die Regale. Für
so etwas für ihn zum Tagesgeschäft. Lange Zeit arbeitete Scheer, der aus ganz anspruchsvolle Kunden hat er
Mit zwei Mitarbeiterinnen betreibt er dem Heidberg kommt, in Fachgeschäf- sogar Metall- und Porzellantapeten zur
seit mittlerweile über zwanzig Jah- ten und Fachmärkten, bis er einen leer Auswahl. Kostenpunkt: 200 bis 300
ren ein Ladengeschäft in Melverode. stehenden Kiosk an der Leipziger Straße Euro pro Quadratmeter. Begehrt sind
auch Wandbespannungen aus kost-
barer Seide. Doch solche Wünsche sind
relativ selten.
Hinter dem Haus befindet sich seine
Werkstatt. Hier wird gepolstert, restau-
riert, genäht und geschneidert. Selbst-
verständlich alles in Handarbeit. Wer
das alte Sofa der Großmutter wieder
flottmachen will, ist bei Scheer genau
richtig: »Früher war das Material der teu-
erste Posten, heute ist es die Arbeitszeit.
Das stilgerechte Polstern eines Ohrenses-
sels dauert etwa 40 Stunden.« Anhand
von Fotos kann er den aufwändigen
Prozess erklären.
Zu seinen Kunden zählen nicht nur
Menschen aus der Nachbarschaft,
sondern auch das Schlossmuseum in
Raumausstatter Jörg-Harald Scheer in seiner Werkstatt. Braunschweig und Wolfenbüttel oder
das Landeskrankenhaus in Königslutter.
Doch auch Sonderwünsche wie Polster
»Früher waren es sogar fünf Mitarbei- entdeckte. für die Kajüte eines Segelbootes werden
ter«, erzählt er, »doch heutzutage ist Seitdem hat er sein Geschäft immer wie- gern umgesetzt. Das einzige Problem in
es schwer, gute Leute zu bekommen.« der modernisiert und erweitert. Corona-Zeiten sind lange Lieferzeiten für
Baumärkte und Billiganbieter haben Werbung macht er heute nicht mehr. Stoffe aus südlichen Regionen.
der einst florierenden Branche arg zu- »Ich lebe von der Mundpropaganda«, Ein ganz spezielles Projekt befindet sich
gesetzt. sagt er. »Früher waren die typischen fast versteckt, in einer Ecke des Raumes:
Schon früh wusste Scheer, dass er in Kunden eines Raumausstatters gut situ- Ein wuchtiger Sessel, der in den Farben
einem kreativen Beruf arbeiten wollte. ierte Menschen ab 50. Das hat sich Eintracht Braunschweigs gepolstert wur-
Anfangs überlegte er, Grafikdesigner gründlich geändert.« Auch junge Leute de – mit riesigem Vereinswappen auf
zu werden. Doch 1982 machte er die haben mittlerweile erkannt, dass Quali- der Rückenlehne. »Die Hoffnung stirbt
Gesellenprüfung zum Raumausstatter tät zwar ihren Preis hat, im Endeffekt je- zuletzt«, schmunzelt Scheer.