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der Lebenshilfe und der Verteilung in jedem STÜTZER: Das Thema Sport ist natürlich aktuell zu bleiben und solche Themen zu
erreichbaren Briefkasten, nicht machbar. schwierig, weil es von Tagesaktualität lebt. verfolgen. Vielleicht verlieren wir das oft
Bei einer Zeitung, die viermal im Jahr aus den Augen.
SÜDLICHT: Vor zehn Jahren tat sich im kommt, ist es halt schwer mit aktuellen Er-
Quartier nicht viel. Heute gibt es erheblich gebnissen, Training oder was auch immer. JUNGHERR: Es ist unheimlich schwierig,
mehr Aktivitäten. Worüber sollte unser Heft Das geht nur in Porträtform. Wen interes- Menschen in einem bestimmten Alter – ich
berichten? Über mehr Lokalsport vielleicht? siert, vier Wochen später, ein Sportergebnis sage mal im Alter von 18 bis 35 – zu er-
aus dem Stadtteil? reichen. Das ist eine ganz andere Genera-
JUNGHERR: Über Institutionen, Vereine, tion. Ich glaube, dass es ein unheimlicher
ansässige Händler, die irgendwie etwas SÜDLICHT: Sollte das Heft etwas jünger Spagat wäre, wenn man jetzt versucht, das
zum Quartier beitragen. Aber das muss- sein? Sollte man stärker versuchen, alle Heft künstlich zu verjüngen. Dann fühlen
te damals natürlich erst mal angekurbelt Altersgruppen mitzunehmen? sich die Älteren vielleicht auch nicht mehr
werden. Heute ist es ein bisschen anders angesprochen. Eine Art »Senioren-BRAVO«
gelagert, weil die Leute vielleicht sogar zu BORN: Ich glaube, das gelingt Dir. Ich brauchen wir nicht.
euch kommen. Das war anfangs sicher an- glaube schon, dass Du da immer das
ders. Die Zeitschrift musste erst im Stadtteil richtige Auge drauf hast. Ich bin immer SÜDLICHT: Auch BRAVO ist in der Krise.
etabliert werden. Inzwischen ist sie eine Art erstaunt, was Du für Themen ausgräbst.
Bindeglied zwischen den Akteuren. Jeder Oder dass Menschen sich an Dich wen- JUNGHERR: Print geht überall zurück. Ich
weiß: Ich kann hier mein Anliegen gut dar- den. Ich denke, dass der Stadtteil auch vor denke, dass wir am Heft selbst gar nichts
stellen. dem Umbruch steht. Wir haben ja in den ändern müssen. Ich glaube, dass es im-
60ern gebaut. mer noch genügend Leser gibt, für die es
JASCHINSKI-GAUS: Ich hatte eine ganze interessant ist, auch wenn man über junge
Zeit lang regelmäßig den Beitrag »Was SÜDLICHT: Das Thema Überalterung hat- Leute berichtet und über deren Hobbys.
passiert im Stadtbezirk?« geschrieben. Frü- ten wir schon vor zehn Jahren. Man sagte, Es soll ja nicht nur für eine Zielgruppe ab
her als Bezirksbürgermeisterin, dann als das wird sich in den nächsten Jahren völlig 65 sein, sondern auch ein bisschen Zeit-
Stellvertreterin. Was passiert im Stadtbezirk ändern. Doch noch immer sieht man hier geist haben. Was ändert sich in der Ge-
eigentlich? Das ist jetzt nicht nur, was der ganz viele Leute mit Rollatoren. sellschaft? Das bildet das Heft ja ab. Ich
Bezirksrat für den Stadtteil macht, sondern glaube, da sind wir auf dem richtigen Weg.
auch: Was passiert in den Vereinen? Wo BORN: Wir haben zwei betreute Wohn-
kann man sich treffen? Wo kommt man zu- einheiten und zwei große Altenheime.
sammen? Wo kann man sich austauschen? Das prägt natürlich auch den Stadtteil
Diese Überschrift steht, denke ich, auch enorm. Aber ich glaube trotzdem, dass
für die Intention einer solchen Zeitschrift. der Stadtteil im Wandel ist. Auch von
Weil die Menschen vorher vielleicht alle für der Angebotsstruktur her.
sich in ihren Wohnungen gelebt haben und
nicht nach links und rechts geguckt haben. TIMOFEEV: Wichtig ist, dass man mit
Nicht alle schauen in einen Schaukasten. den Menschen spricht, die hier wohnen.
Und nicht alle treffen sich in Vereinen. Doch Aber die sind vielleicht nicht unbedingt
sie werden vielleicht durch eine Zeitung, im Quartier aktiv. Ich denke da an das
die flächendeckend verteilt wird, animiert, Jugendparlament. Es haben sich einige
sich ein bisschen mehr als Heidberger und aus der IGS Heidberg aufgestellt und
Melveroder zusammenzufügen, um mehr wurden tatsächlich gewählt. Sie wohnen Kurzmeldungen
Nachbarschaft zu erleben. Ich glaube, das hier im Quartier und gehen auch hier
muss die Intention sein: Was passiert im zur Schule. Das sind alles junge Leute. Steinwürfe auf die Flüchtlingsunterkunft
Stadtbezirk? Diese Entwicklung interessiert vielleicht
auch Ältere. Wir haben hier viele ganz In der Nacht zum 26. Mai kam es in der Glogaustraße zu einem Vorfall, der bundesweit Schlag-
TIMOFEEV: In jeder Ausgabe werden Men- junge Menschen, die sich engagieren zeilen machte. Während auf dem Festplatz Melverode das Schützenfest gefeiert wurde, brüllte eine
schen hier aus den beiden Quartieren vor- wollen, sich nicht nur für den Heidberg, Gruppe von mindestens fünf Personen vor der Flüchtlingsunterkunft ausländerfeindliche Parolen.
gestellt. Das finde ich auch ganz wichtig. sondern auch für die ganze Stadt einset- Anschließend kam es zu Wortgefechten mit Bewohner*innen und Steinwürfen auf das Gebäude.
Man erfährt, was die anderen Menschen in zen wollen. Hier sollten wir versuchen, Trotz sofortiger Fahndungsmaßnahmen konnte die Tätergruppe nicht von der Polizei gefasst werden.
ihrem Leben interessiert, was sie so machen Bei der Aktion »Wenn ich Heid- Oberbürgermeister Dr. Thorsten Kornblum: »Ich verurteile das Vorkommnis aufs Schärfste. Braunschweig ist eine offene Stadt,
und wo sie sich engagieren. Ich denke da bergkönigIn wäre« wurde 2019 in der sich alle Menschen sicher fühlen sollen. Denjenigen gegenüber, die auf der Flucht zu uns kommen, gilt unsere besondere
an die Zahnärztin am Erfurtplatz, die aus gefragt, was man im Stadtteil ver- Fürsorgepflicht.«
Mexiko gekommen ist. Ich finde es faszinie- bessern könnte. Bezirksbürgermei- Auch andere Braunschweiger Politiker zeigten sich schockiert. Dr. Andreas Hoffmann, Landtagsabgeordneter der Grünen: »Dass
rend, wie viele unterschiedliche Menschen sterin Christiane Jaschinski-Gaus der Rat der Stadt Braunschweig jetzt einen ›Aktionsplan gegen Rechts‹ auf den Weg gebracht hat, macht mich sehr glücklich.
hier in beiden Quartieren wohnen. wünschte sich »Wohnraum für viele Denn die jüngsten Ereignisse zeigen einmal mehr, wir müssen endlich aktiv werden!«
junge Familien«.